Türchen 20 – Der Vorlasser

Maria und Josef hatten noch ein bisschen Zeit bis zum Besichtigungstermin und wollten sich nach der langen Radfahrt stärken. Beim örtlichen Schlachter wurde Mittagstisch angeboten. Die Schlange war lang, das Essen also gut.

„Tagesangebot: Moni’s Erbsensuppe von 1984. Wahlweise mit oder ohne Null-Bockwurst/Gänsebrusteinlage oder Quinoa-Zucchini-Puffer mit Preisselbeersenfsauce“ las Josef vor.

„Ich geh auf die Erbsensuppe“ sagte Maria. „Mit Gänsebrust!“

Josef stellte sich an und beobachtete, wie ein Herr weiter vor ihm in der Schlange, Kunden um Kunden vorließ.

Als der Herr ihm anbot, ihn vorzulassen, fragte er nach dem Grund.

Er sagte, das sei eine sehr seltene Krankheit. Er würde ständig und überall Leute vorlassen. Das sei ihm zum ersten Mal an der Supermarktkasse aufgefallen. Er hätte oft und gerne Leute vorgelassen, die es eilig zu haben schienen oder wenige Teile hatten. Danach hätte er immer ein gutes Gefühl gehabt.

Das hätte aber dazu geführt, dass er zeitweise mehrere Stunden an der Schlange verbracht habe und erst mit Ladenschluss als letzter Kunde den Supermarkt verlassen konnte. Das wiederum hätte ihn dazu gebracht, erst kurz vor Ladenschluss einkaufen zu gehen. Dann sei aber meistens das Obst und Gemüse weg, sodass er sich dann zwangsläufig ungesund ernähren müsse.

Auf Jahrmärkte oder so geht er auch nicht mehr, da er grundsätzlich jeden und überall vorlässt. Sei es an der Schlange zur Achterbahn oder zur Toilette. Er habe sich deswegen schon oft eingepinkelt. Anfangs war’s unangenehm -wobei, erst war es schön warm – zuletzt aber Routine. „Man gewöhnt sich an alles“ hoffte der Mann auf Josefs Verständnis. Zur Therapie hätte er es auch noch nie geschafft, da …. weiter kam er nicht, da er die gerade eintreffende Reisegruppe aus Japan vorließ.

„Arme Sau“ dachte Josef und bestellte „Zweimal Erbsensuppe, einmal mit Nullbockwurst und einmal mit Gänsebrust, bitte!“

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