19. Kellerbar

Mit Kreativität hatte Ruud nichts am Hut. Dachte er zumindest. Bis es um die beiden noralgischen Feiern im Jahr ging. Die eine, war der Geburtstag vom Geschäftsführer, der immer dann gefeiert wurde, wann er war. Auch sonntags. Aus Tradition.

Vormittags wurden Geschäftsfreunde, alte Weggefährten und sonstige Honoratioren aus der Gegend eingeladen, die zu später Stunden versuchten ihre Söhne unterbringen (Kinder von Bürgermeistern rangierten auf den vorderen Plätzen) und nach Feierabend wurde mit der Belegschaft im Verwaltungsgebäude mit eigener Kellerbar weitergefeiert.

Die Azubis übernahmen hierbei den sogenannten Thekendienst. Sie zapften Bier, machten Longdrinks und überzeugten mit ihrer Weinexpertise. Aus Verlegenheit landete daher auch schonmal die ein oder andere Flasche Rotwein im Kühlschrank. Sehr zum Amusement des „Henkers“. Ein Weinkenner und Minibar-Premiumkunde, der bei Besuchen nach Firmenübernahmen auch gerne mal Kündigungen im Gepäck hatte.

Den Azubis oblag auch die Vorbereitung der Kellerbar. Getränkebestände prüfen und nachbestellen, Zapfanlage reinigen lassen und unbedingt das angebrochene Fass der letzten Weihnachtsfeier entsorgen, Gläser durchspülen, die Musikanlage runterregeln (ebenfalls letzte Weihnachtsfeier) und gleichzeitig prüfen ob „Zombie Nation“ von Kernkraft 400 einwandfrei läuft. Ein Evergreen, der bis zu fortgeschrittener Stunde nahezu in Dauerschleife aus den Boxen dröhnte. Azubi Rico entwickelte hierbei ein Special Interest und bekam im Laufe der Jahre die Kellerbar-Prokura, die ihn aber inoffiziell dazu verpflichtete, immer als Letzter nach Hause zu gehen und abzuschließen.

Im Idealfall war der Fahrdienst noch anwesend, der Rico als letzte Amtshandlung nach Hause fuhr. Der Fahrdienst wurde ins Leben gerufen um zu vermeiden, dass Mitarbeiter/Gäste auf die unwahrscheinliche Idee kommen, nach Alkoholgenuss noch das eigene Auto steuern zu wollen. Hierbei steuerten nüchterne Azubis Firmenwagen. Dafür waren sie aber vom Thekendienst befreit. Irgendwann stand dann sowieso jeder hinter dem Tresen.

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