23. Beinahe Student

Statt Unterhaltungschef zu werden, landete Ruud beinahe an der Fachhochschule. Er hatte sich aus einer Bierlaune heraus für Medienwirtschaft und Journalismus eingeschrieben und aufgrund der Wartesemester, die seinen NC aufpolierten, bekam er tatsächlich eine Zusage.


Damit hatte er überhaupt nicht gerechnet und auf einmal sah er sich vor der Entscheidung, den Bürostuhl gegen den Hörsaal zu tauschen. Wohnung gegen Kinderzimmer. Auto gegen Fahrrrad. Wie sollte er von Vollzeitjob auf Vollzeitstudent umswitchen?


Eine schwierige Entscheidung, zumal er zu diesem Zeitpunkt ein Abrechnungsprojekt an einem neuen Standort angetreten hatte, mit der Option beim weiteren Aufbau und für das anstehende Fruchtimportprojekt unterstützend tätig zu werden.


Es sollte die arbeitsreichste und stressigste Zeit überhaupt werden, in der er sich des öfteren hilflos gegenüber seinen Kollegen fühlte, die von früh morgens bis spät abends versuchten, auf die anspruchsvollen Kundenwünsche einzugehen und die diversen zwischengelagerten frischen Lebensmitteln tagtäglich für die Auslagerung und Auslieferung vorzubereiten. Ruud beherrschte das Lagerverwaltungsprogramm nicht bzw. nur den Teil für die Abrechnung.


Für das operative Geschäft hatte im Tagesgeschäft die Zeit gefehlt. Zudem hatte eine Kollegin im laufenden Betrieb gekündigt. Somit gab es zu viel Arbeit für zu wenig (erfahrene) Mitarbeiter. Die Aufgabenstellung mit Qualitätskontrollen und kurzfristigen Packaktionen, bei denen das kaufmännische Personal regelmäßig mit einsprang, damit die LKW vom Hof kamen, mehr als anspruchsvoll.

Es wurde Personal von anderen Standorten zusammengezogen. Sowohl kaufmännisches als auch gewerbliches Personal. Quasi eine Taskforce.

Das Projekt war zur Mammutaufgabe geworden. Für alle. In der Zeit hatte Ruud den Spaß an der Arbeit verloren. Er harrte aus Solidarität mit den anderen Kollegen vor Ort aus und versuchte zumindest moralisch zu unterstützen. In der schlimmsten Zeit schaffte er es, die Arbeitszeit eines Monats in zwei Wochen unterzubringen (inklusive Wochenenden). Ein trauriger Rekord. Und eine Grenzerfahrung.

Er weiß auch nicht mehr genau, wie sich die Situation zum Besseren entwickelte, aber irgendwann lief es. Ruud ließ sich in die Geheimnisse der Importabwicklung und Zollanmeldungen einweihen und schaute sich hin und wieder mal ein Obst an. Nach gut einem Jahr hatte er aber auch das Spiel durchgespielt und so entschied er sich, das Unternehmen nach über elf Jahren für eine neue Aufgabe und einen neuen Lebensabschnitt zu verlassen.

Ein schwerer Schritt, aber die letzten eineinhalb Jahre ließen ihm keine Wahl.

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