Jeder vor 1990 geborene wird sie noch kennen. Spätestens am 30.11. erhielt der 40 x 30 cm große Adventskalender mit Weihnachtsszenerie-Print und 24 x Klapptürchen, hinter denen eben so viele Schokotäfelchen mit Weihnachtsmotiven darauf warteten, von kleinen und vor Aufregung zitternden verschwitzten Kinderhänden, befreit zu werden, Einzug in die Kinderzimmer. Manchmal verbarg sich zusätzlich ein kleines Gedicht oder ein weihnachtlicher Spruch auf der Innenseite, zum Weitererzählen. Wolfram Weimer hätte das gefallen.
Wenn man mehr als ein Geschwister hatte, ließ es sich nicht vermeiden, dass es aufgrund der begrenzten Hersteller und Motiven, im Haushalt Doppelungen gab.
Besonders jüngere Geschwister, die manchmal erst später aufstanden als man selbst, baten darum, nicht zu verraten, was sich am heutigen Tag in dem Kalender verbergen würde. Meistens mit mäßigem Erfolg.
Dieses Wunderwerk der Schokoladenkunst kostete damals zwar nur DM 1,99, schaffte es aber trotzdem, beim Zubettgehen ein Kribbeln im Bauch zu erzeugen. Es schürte Vorfreude auf das Motiv, den Geschmack nach Eisen, Pappe und Plastik, wenn das Täfelchen, meistens sogar schon vor dem Frühstück, auf der Zunge liegend, immer wieder an den Gaumen gedrückt zerlutscht wurde, und sich mit dem Speichel langsam zu einer sämigen Masse vermischte.
„Guck mal, ich hab Kakao – aaaaaah!“ Ein Oberteilwechsel war meistens die Folge, logisch.
Manchmal mischte sich aber auch Staub mit dazwischen, da das Täfelchen beim Öffnungsvorgang auch gerne mal in den Spalt zwischen Bett und Wand fiel und unter Einsatz eines dünnen und langen Stocks (und des eigenen Lebens) mühsam wieder hervorgeholt wurde. Kurz drüber pusten und dann ab damit in die Futterluke.
Ein 4-dimensionales (Geschmacks-) Erlebnis.
Es halten sich auch bis heute noch Gerüchte, dass diese Schokolade zu 90% aus Rinderblut bestünde.