Make Kuchenchallenge great again

„Schaupieler, Du bist nächste Woche dran mit Kuchenchallenge.“

Den Satz meines damaligen neuen Teamleiters vor vier Jahren habe ich noch wie gestern im Ohr.

„Klar, kein Problem“ entgegnete ich, und ließ mich dann von meinem „Buddy“, der mich einarbeiten sollte, aufklären:

„Wir haben hier einen abteilungsinternen Kuchenback- wettbewerb. Ist mal als Folge eines Gesprächs über den vermeintlichen besten Kuchen zu später Stunde auf ner Weihnachtsfeier entstanden. Alle zwei Wochen ist ein anderer Kollege dran. Der Kuchen wird dann im Team-Meeting verkostet und bewertet. Gewinner ist der mit der höchsten Durschnittswertung. Ganz wichtig: Keine Backmischung. Keine externe Hilfe. Ganz easy.“

Ich hatte gerade meinen neuen Job angetreten und wollte die Herausforderung auch „ganz easy“ angehen.

Zu easy, wie sich später raus stellte.

Denn nachdem ich mir ein Blechkuchenrezept (Buttermilch-Kokos-Kuchen) aus meinem Brigitteabo raus suchte https://www.brigitte.de/rezepte/buttermilch-kokos-kuchen-10543094.html und die „Dolci di Latticello e Coco“ am nächsten Tag fahrradtransportgerecht geschnitten, in Tupper und Alufolie verpackt zum Termin mitgebracht habe, wurde ich gleich mit einem süffisanten Lächeln gefragt:

„Hä? Was ist dat denn? In Alufolie? Und geschnitten? Das gibt erstmal Punktabzug …“

Boom. Es wurde nicht besser.

„Was ist da drin? Kokos? Bäh. Mag ich nicht. Das klebt dann ja überall zwischen den Zähnen.“

Wieder Punktabzug.

„Gib mir nochmal ein Mittelstück, die Randstücke sind so trocken …“ Weiterer Punktabzug. Eiweh – das wird mein Waterloo …

Habe mich dann aufklären lassen, dass der Kuchen in Gänze hätte vorgestellt werden müssen, damit die Kuchenbackkommission – bestehend aus allen anwesenden 12 Teammitgliedern inkl. Dualer undWerksstudenten – die Optik hätten bewerten können. Es wurden natürlich auch kritische Fragen zu Zutaten und Zubereitungsschritten gestellt, um herauszufinden, ob der Bäcker nicht doch externe Hilfe hatte.

„Weil das gäbe auch Punktabzug“ – natürlich.

Dann wäre es hilfreich gewesen, die Geschmäcker, Marotten und Unverträglichkeiten der Kollegen zu kennen, um etwas zu kreieren, das der breiten (Marzipan)Masse gefällt. Da ich aber keinen Dolorean hatte, war mir das leider nicht möglich. Also: Merken für’s nächste Mal.

Bewertet wurde auf einer Skala von 1 – 10 (schlecht bis mega). In die Note flossen die Optik, der vermeintliche Schwierigkeitsgrad, der Geschmack sowie – zu kleinen Teilen – der Name ein.

Die Gesamtpunktzahl geteilt durch die Anzahl der Kollegen ergab dann die Durschnittsnote:

„6,4. Das ist ein guter drittletzter Platz. Da ist noch Luft nach oben.“

Hinter mir nur der Kollege, der einen aufwändigen Fußballkuchen backen wollte, dann aber aufgrund eines Transportschadens ein TK-Produkt mitbrachte. Und der Kollege mit „seinem“ Rührkuchen.

Netterweise wurde mir anschließend offenbart, dass vorher andere Kollegen andere Fauxpas hatten. Einer hat Backpulver vergessen, ein anderer hat Hefe anstatt Backpulver verwendet und noch wer anders hatte einen „Schokokucken“ aus Kidneybohnen dabei.

Das war quasi mein damaliges Willkommensgeschenk. Die „Kuchenchallenge“ hat sich in den vergangenen vier Jahren weiterentwickelt. Sie ist nicht nur ein lockerer Austausch über teaminterne – respektive teamübergreifende Themen, sondern bringt durch neue Kollegen, wechselnde duale und auch Werksstudenten immer neue Backeinflüsse mit – das Niveau steigt und auch der eigene Anspruch an sichselbst, besser zu werden, wächst.

Ein Kollege möchte „seinen“ Rührkuchen so lange optmieren und backen (er rührt nach eigener Aussage jedes Mal mindestens sechs Stunden und variiert ein bisschen bei den Zutaten), bis er gewinnt. Ein sehr ambitioniertes Vorhaben.

Bei einem anderen Kollegen liegt der Verdacht nahe, dass die Frau heimlich als Ghostbaker fungiert, da die Antworten auf die kritischen Fragen der Backkommission sich teilweise wie auswendig gelernt anhören und die nach Selbstaussage „kaum vorhandenen Backskills zu haben“ doch sehr von den erstaunlich guten Ergebnissen abweichen.

Der Werksstudent hat zumindest zugegeben,dass Mutti ihn bei seinem Zupfkuchen in einem analogen Live-Tutorial Schritt für Schritt durch das Rezept geführt hat, inklusive Eigelb von Eiweiß trennen. Sehr zur Belustigung der Schwester. Aber, das Ergebnis konnte sich sehen und schmecken lassen.

Mittlerweile entstehen „Mottokuchen“ und „Brandcakes“.

Und auch die Bewertungskriterien wurden auf vier einzelne Kategorien gesplittet, um das Bewertungs- ergebnis noch genauer zu machen:

Optik, Geschmack, Konsistenz und Aufwand – auch hier jeweils auf einer Skala von 1-10.

Die aktuelle Challenge neigt sich langsam dem Ende zu, und es wurde bereits angeregt, Mottos auszugeben bzw. festzulegen, dass im Kuchen bestimmte Zutaten enthalten sein müssen, um eine bessere Vergleichbarkeit herzustellen.

Der Abteilungsleitung wurde indes an die Hand gegeben, die Backskills von potentiellen neuen Kollegen in einem Vorstellungsgespräch gleich mit abzufragen – genauso wie Lieblingskuchen und evtl. Unverträglichkeiten …

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