Der schneidige Büroheini nutzte das schöne Wetter und verbrachte eine Arbeitspause in der Bremer Innenstadt.
Er entschloss sich, mal wieder eine Bratwurst im Brötchen zu verputzen. Da er beim „Eat & Walk“ in der Vergangenheit öfter von den Regionalmedien zu verschiedensten Themen befragt wurde – vornehmlich wenn er in das Nahrungsmittel seiner Wahl beißen wollte – entschied er sich, sich in ausreichendem Abstand vom Foodoutlet in die Sonne zu stellen und die Wurst zu genießen. Und dabei andere Leute zu beobachten. Türlich. Schließlich hatte er das während seiner Bundeswehrzeit gelernt. Leute beobachten. Und Morsezeichen (schöner Kind gerechter Beitrag vom SWR Kindernetz) erkennen und in 5er Gruppen aufschreiben um zu gucken was der potentielle Feind zu verkünden hatte.
„Aufklärung“ nannten die das damals. Ein Kamerad fand heraus bzw. klärte für sich auf, dass er nach dem Konsum einer Kräuterzigarette in der Lage war, die Geschwindigkeit der teils sehr schnellen akustischen Signale in seinem Kopf so zu reduzieren, dass er die Zeichen besser mitschreiben konnte. Der Büroheini versuchte es hingegen ausschließlich mit Konzentration.
„Ihr seid die Besten der Besten. Und die Geheimen der Geheimen!“ hatte unser Spieß damals gesagt. Ja klar, das haben wir ALLE geglaubt. Und das strahlten wir auch aus. Man war ja auch automatisch nach 10 Fahrstunden Deutschlands bester Autofahrer, ne?
Zumindest hielt sich der ein oder andere dafür.
So steht er da, schnappt Gesprächsfetzen eines exaltiert gekleideten und telefonierenden Herren auf.
Es geht scheinbar um die Fähigkeit, sich im Dunkeln anziehen zu können. Der Büroheini bescheinigt ihm das und findet sich sofort gedanklich auf Stube 210 wieder. Gleich ist Einschluss. Nee, Nachtruhe. Ist der Alarmstuhl ordnungsgemäß vorbereitet? Könnte er sich, wenn nötig, in Nullkommanichts im Dunkeln Abmarsch bereit anziehen? Wohin könnte es in der Simulation gehen? Sollte er sich vorsorglich telefonisch von der Familie verabschieden und sagen, dass er sie liebt? Würde er den Rufen der Ausbilder zu mehr Eile und Tempo, da die anderen Ausbildungsgruppen schon längst angetreten seien (was natürlich nicht stimmte), widerstehen können?
Ganz wichtig: nicht schon Abmarsch bereit umgezogen auf dem Bock auf Nachtalarm warten. Das treibt nur unnötig den Blutdruck des StUffz nach oben. Niemand geht schließlich besoffen inne Kneipe. Und noch wichtiger, wenn man dann in Gruppenstärke vor dem Kompaniegebäude angetreten war und die Ausrüstungsteile auf Vollständigkeit überprüft wurden, ALLES dabei zu haben.
Für jedes fehlende Teil gewann man einen Sprint auf die Stube und wurde aus den Nachbarkompaniegebäuden frenetisch angefeuert:
„Lauf Funker, lauf!“
Da hat der ein oder andere Rekrut Extrameter gemacht.
So wie der Bratwurstbräter. Wieviel Meter Wurst er wohl schon in seinem Leben gemacht hat? Darüber sinierend begibt er sich auf den Rückweg in die zivile Schreibstube und freut sich, dass sich im Dunkeln anzuziehen dieser Tage nach wie vor eine Kernkompetenz ist.
Wenn’s mal wieder um die Wurst geht. 🤣 Autobiographisch der Sinnlosigkeit des sich im Dunkeln-Anziehens ist sicherlich auch befreiend…
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Mein Therapeut sagt, ich mache Fortschritte.
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