Türchen 21 – 5.306,04 cm³ Sand im Fußball

Frisch gestärkt machten sich Maria und Josef auf ihrem Drahtesel weiter in Richtung Hausbesichtigung. Josef kannte die Gegend nur zu gut. All zu viel hatte sich nicht verändert. Einzig die damals schon als alt geltenden Leute waren noch älter geworden und sahen aus wie ihre eigenen Großeltern.

Dann bemerkte Josef doch eine Veränderung. Auf dem Bolzplatz auf dem er und die anderen Kinder aus der Wohnsiedlung früher in den Ferien jede freie Minute verbrachten, stand nun ein neumodisches Mehrfamilienhaus. Auf seinen Erinnerungen an „Hochball, Weltmeister, Lattenschießen und Diddis Dampfhammer, wurde lieblos ein großer weißgrauer Betonklotz hochgezogen – zappzarapp. Es fühlte sich für Josef so an, als hätte der Bagger ihm höchspersönlich mit der Schaufel die Erinnerungen aus dem Kopf gegraben. Er verspürte Kopfschmerzen.

Wie oft wurde hier „Piss-Pott“ gemacht, um herauszufinden, welcher der beiden Kapitäne zuerst einen Spieler für seine Mannschaft wählen durfte? Nicht selten wurde der Wahlvorgang von den Älteren abgekürzt:

„Er, er, er, er und ich gegen den Rest. Der Dicke darf mitspielen und kommt zu uns, weil er den besten Ball hat. Wir haben festen Torwart, ihr fliegenden. Torwartwechsel nur mit Abklatschen. 3 Ecken ein Elfer. Und ganz wichtig, Ball im aus bedeutet: Wer hat der hat. Alles klar? OK, ihr fangt an, weil ihr schlechter seid!“

Ja, so war das damals auf’m Bolzer. Kinder im Alter zwischen 6 und 14 Jahren spielten ohne Probleme zusammen Fußball. Von morgens bis abends.

Die größten Gegner waren die einsetzende Dunkelheit, die damals noch zu beachtende gesetzliche Ruhezeit zwischen 13 – 15h und der Anwohner, dessen Garten nur durch einen Maschendrahtzaun vom Bolzplatz getrennt wurde.

Diddi Dampfhammer ließ einen seiner berücktigten Dampfhammer aus 20m ab, dieser knallte an die Latte, der Ball flog im hohen Bogen über den 4m hohen Maschendrahtzaun und landete in den Pitunien von Herrn Kurze.

Jeder wusste was das heißt: da wartet der Anschiss des Tages. Mit Glück gibt’s den Ball zurück. Manchmal sogar schon nach einem Monat.

Doch eines Tages, lag der wiederholt über den Zaun geschossene Ball mitten auf dem Bolzplatz. Alle waren überrascht. Hatte Herr Kurze doch ein Einsehen mit den Kindern? War er zur Besinnung gekommen? Einer der Jungs rannte freudestrahlend auf den Ball zu, holte aus und machte nach dem Schussversuch einen Vorwärtssalto, untermalt mit einem Aufschrei.

Herr Kurze hatte scheinbar nicht nur den Ball wieder zurückgelegt, sondern in ihm auch noch 5.306,04 cm³ Sand (V= 4/3 Pi x r³). Was für ein Psychopath.

„Wieviel Fußbälle Sand wohl jetzt für diese Bausünde verwendet wurden?“ murmelte Josef, und bog in die Zielstraße ein.

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