Türchen 23 – Hausbesichtigung mit Zwischenfall

Es verging eine Minute. Dann Schlüsselrasseln und die Tür öffnete sich.

„Guten Tag, ihr kommt zur Besichtigung, richtig?“ fragte eine Frau mit Dreadlocks, Nasenpiercing, Tattoos, bunter Haremhose, Spaghettiträgertop und Pulswärmerstulpen an allen Extremitäten.

„Ja, stimmt“ antwortete Josef. Marias Blick schien zu sagen: Ganz schön viel Waldorf, wenn Du mich fragst.

„Mein Schwiegervater ist noch unterwegs. Er trainiert für eine Weltmeisterschaft …“ „… im Langsamfahren“ ergänzte Josef gedanklich.

„Kommt rein, wir führen Euch rum“. Zur Frau gesellten sich ein glatzköpfiger Mann in Strauss Arbeitskleidung sowie zwei Kinder im Alter zwischen 1,5 und 5. Das Haus war in der Tat viel großzügiger und schöner als die Anzeige es vermuten ließ. Im Laufe der Besichtigung stellte sich heraus, dass das Pärchen nach Süd-Österreich in ein Wohnprojekt zieht und gerne noch die Einbauküche, den Kaminofen (den sie größtenteils zum Heizen benutzten), 9 Raummeter Brennholz inkl. Unterstand (der das Holz vor Wind & Wetter schützt) und das selbst gezimmerte Carport an Maria und Josef abtreten wollten.

„Alles unverbindlich und auf freiwilliger Basis“ ergänzte die Frau. „Fühlt Euch nicht verpflichtet die noch guten und günstigen Sachen zu übernehmen. Wir können auch versuchen, das meinem Schwiegervater überzuhucken!“

Im Keller befand sich eine komplett eingerichtete Holzwerkstatt in der der Hausherr Montessorispielzeug herstellte.

„Der Keller ist trocken. Guck, wir haben hier problemlos unser eigenes Getreide für unser Brot gelagert“ erklärte der Mann stolz.

„Oh ja, schön“ zeigte sich Josef sichtlich beeindruckt und schielte zu Maria rüber. „Wo sind wir hier gelandet“ war in seinen Augen zu lesen.

Im oberen Stockwerk angekommen, nahmen sie das grün geflieste Badezimmer in Augenschein, das über ein Oberlicht in der Decke verfügte. Trotz der gewöhnungsbedürftigen Farbe, war es sehr hell und bot zudem viel Platz.

„Voll schön“ entfuhr es Maria und versuchte sich das stärker werdende Ziehen nicht anmerken zu lassen.

„Ja, und hier habe ich den Jonathan zu Welt gebracht“ erwähnte die Frau und deutete andächtig auf die Badewanne.

Schlagartig schossen Josef Szenen seines Lieblingsweihnachtsfilms in den Kopf. Der, in dem ein Schriftsteller im Winter auf ein Hotel aufpasst und in einer Szene schwallartig …

„ARRRUCHA, ARRUCHA – TRABACHO, TRABACHO“ dröhnte es plötzlich durch die Wand. „Die südamerikanischen Nachbarn …“ lächelte die Frau.

In dem Moment konnte Maria die Schmerzen nicht mehr verbergen. Auch die Erbsensuppe war wohl keine gute Idee gewesen, die brodelte nun zusätzlich und sorgte für stärker werdende Bauchkrämpfe.

„Josef, ich glaube es geht los“ stöhnte Maria und ergriff seine Hand. Doch zum Krankenhaus war es zu weit. Kurzerhand schlug die Stulpenfrau die Badewanne für den Geburtsvorgang vor und rief ihrem Mann zu, er solle den Nachbarn holen.

„Was soll denn der Nachbar noch hier?“ fragte Josef völlig aufgelöst.

„Der ist exhaminierte Hebamme und ist aufgrund des Fachkräftemangels vor Jahren hierher gekommen …“ versuchte der Mann Josef zu beruhigen. „Wir brauchen auf jeden Fall schonmal warmes Wasser und saubere Handtücher“ ergänze er.

„Wofür denn?“ wollte Josef wissen.

„Keine Ahnung, aber das sagen die in den Filmen immer“ antwortet er und verschwand.

Ein paar Augenblicke später standen der Hausherr und der Hebamme im Badezimmer.

„Hola chicas, mach euch keine Ssor-gen, ich helfe euch da-durch“ beruhigte der Hebamme die Situation, grinste dabei wie ein Zirkuspferd und formte mit seinen Händen einen kleinen Kreis. „Ihabe das schon taussenmal gemaht!“

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: